Die erste Bergtour von Stefan und Bernhard in den Ampezzaner Dolomiten, auf den famosen Monte Pelmo (3.168 m).
Der Monte Pelmo (3.168m) in den Ampezzaner Dolomiten war wohl eine der prägendsten Berge in meinem (Stefan’s) Leben, welchen ich zusammen mit Bernhard, während unserer Bergwoche in Südtirol und am Gardasee, ging.
Aufstieg
Der Plan war über die Ost-Seite über das Ball Band auf zu steigen und dies sehr bald, denn es wurden für Nachmittag vereinzelt Gewitter gemeldet.
Um 15 Uhr wieder bei unseren Autos zu sein war unser Ziel.
Die Anreise führte uns am Vortag mit dem Auto von Borca di Cadore rauf zu einem kleinen Schotter-Parkplatz. Früh Morgens um sieben Uhr weckte es uns aus aus unserem Schlaf und starteten eine Stunde später von knapp 1.100 m Höhe mit dem Rad zur Hütte Rifugio Venezia auf 1.950 Meter.
Was wir bei der Planung in der Landkarte nicht gelesen haben, war, dass es anstatt 500 Höhenmetern 800 waren, und ein Großteil der Strecke so steil war, dass sie für uns mit dem Mountainbike nicht befahrbar war. Ich versuchte es aber trotzdem so lange wie möglich und powerte mich sinnloser weise bereits auf dem ersten halben Kilometer stark aus.
Nach zwei Stunden, die wir zumeist mit anstrengendem Rad schieben verbrachten, waren wir bei der Hütte angekommen. Dem Zeitplan hechelten wir bereits ein bisschen nach, aber eine Pause war nötig, nach dem anstrengenden Start. Auf der Hütte lernten wir gleich die Kellnerin Diana kennen und quatschten mit ihr ein bisschen bevor wir die Rast zum Energie-auf-tanken anstarteten.
Sollen wir oder sollen wir nicht?
Der erste Teil zog nämlich um einiges mehr Energie aus unseren Oberschenkeln als wir das eingeplant hatten und die eigentliche Tour zu Fuß lag aber noch vor uns. Dies und die drohende Gewittergefahr waren meine Gedanken während dem Zustieg zur Wand, aber Berni motivierte immer wieder und beruhigte mich.
Meine Erlebnisse im hochalpinen Gelände waren noch recht bescheiden, war ja mein erster Dreitausender, einen Zweitausender dazwischen hatte ich auch noch nicht begangen. Und so waren die Gefahren wie Steinschlag und die Wetterturbulenzen was völlig Neues, wenn auch schon oftmals Gehörtes.
Auch von der Dimension der Tour war der Tag ein neuer Gradmesser. Zwölf Stunden unterwegs zu sein und dabei knapp 2.000 Höhenmeter zu überwinden war auch von sportlicher Perspektive her, eine Herausforderung. Also, Vergleiche ziehen mit anderen Touren ging nicht und es musste die eigene Logik und Vernunft ausgepackt werden.
Das Ball Band
Beim Zustieg zum Ball Band kamen uns eine Gruppe die umgedreht hat entgegen, die uns vom Weitergehen abrieten. Aussagen wie: „Das Wetter sei nicht stabil“ und „das fast ungesicherte Ball Band verlange einiges an Mut“ erfreuten meine innere Skepsis nicht gerade und so wurde direkt vor der Ost-Wand eine Weile darüber diskutiert, ob wir nicht auch umdrehen sollten.
Der zeitliche Verzug, die Angst vor den unbekannten, alpinen Gefahren und Herausforderungen, der anstrengende Zustieg und der prognostizierte Wetterumschwung trieben meine Gedanken immer wieder Richtung Tal, doch Bernhard ließ nicht locker und so entschieden wir uns für den Berg und das wir umkehren, falls es nicht mehr geht. Eine Strategie die ich seit damals in vielen ähnlichen Fällen verfolge.
Also setzten wir die Bergtour fort und waren bald auf dem Ball Band. Die Gruppe die uns warnte hatte schon recht, bei Regen ist diese Passage nicht empfehlenswert. Besonders ich war dadurch ein bisschen beeindruckt, aber Bernhard schien alles unter Kontrolle zu haben.
Das Ball Band mit seiner Gesteins-Schicht-Verschiebung in einer vertikalen Wand ist auch aus geologischer Sicht interessant, so wie die gesamten Dolomiten. Diese uralte Verschiebung ermöglicht es überhaupt erst, den schmalen Weg am Rande der Steilwand zu begehen. Meist hatten wir zwischen einem Meter und 50 Zentimeter Platz, links ging es 100 Meter runter, rechts einige Hundert rauf.
So war der Beginn der Tour, auch die Eintritts-Prüfung in die alpine Welt für mich. Gleich zu Beginn der Zustieg zum Ball Band, ein nicht gefährlich erscheinendes, dezent ansteigendes Stück mit viel Kiesel und Schotter, welches leicht zum Ausrutschen führen kann.
Dann die exponierte Stelle gleich zu Beginn und in der Mitte die Passage mit den zwei Seilsicherungen (Passo del Gatto).
Insgesamt war es aber eine sehr schöne Mischung aus Nervenkitzel und Genuss, welche aber ein hohes Maß an Trittsicherheit abverlangt. Dann gings noch um ein paar Schultern herum, bevor das Ball Band zu Ende war.
Die Bänder und das Karstplateau
Ums Eck gegangen sahen wir auf eine rohe, von urgewalt strotzende Landschaft voller unbekannter, geologischer Formen ein. Angekommen in einem Schuttkessel gingen wir geradewegs nach oben. Die vielen Bänder zu überqueren und den richtigen Weg beizubehalten war zwar nicht schwer, aber dauerte länger als wir dies ganz unten vermuteten. Der Lohn der Mühe war eine schöne Karstlandschaft, ein kleines Plateau wo orangefarbener, zerklüfteter Fels noch teilweise bedeckt von Schnee war. Hier war einst der Pelmo Gletscher aktiv, wie ich erfuhr.
Wir waren in einer unglaublich schönen Felslandschaft eingebettet, mit einer traumhaften Aussicht Richtung Süden. Schroffe Dolomit-Wände mit deren Bändern und verwaschene Übergänge von Gesteinsschichten, Jahrmillionen geprägt durch verschiedene Formen von Erosion, eröffneten mir eine komplett neuartigen Blick auf die Welt und erweckten die Begeisterung für die Geologie in mir. Es schien mir teils nicht real zu sein, eher wie aus einer anderen, fremden Welt.
Roh, zeitlos und schön ragte hier die Erde hoch und zeigte uns einen Teil ihrer großen Kraft und Geschichte.
Wir überquerten die Schneefelder und standen am Sattel, der rechts zum Gipfel rauf führte. Zuvor verblieben wir aber noch vor der Pelmo-Westwand, die direkt vor uns 800 Meter vertikal in die Tiefe abfiel. Zentimeter für Zentimeter näherte ich mich der Kante an, doch weiter als einen halben Meter traute ich mich nicht heran. Meine Füße wurden so schwer wie noch nie zuvor und ich bekam einen großen Respekt vor der Wand, oder besser gesagt vor den Menschen die auf ihr rauf kletterten, wie zum Beispiel die Huber Buam. Ich konnte nur erahnen, welche mentale und körperliche Fitness und Erfahrung es benötigt um solch ein Projekt durch zu führen.
Das Wetter wurde indes immer schlechter und die Wolken zogen von Minute zu Minute mehr zu. Auch tiefer gelegene Wolken kamen vom Tal aus zu uns rauf und nahmen uns die Sicht. Die letzten paar Höhenmeter über den leicht ausgesetzten Grat zum Gipfel gab es leider keine Aussicht mehr, somit blieben Antelao, Civetta, Marmolata und Tofane di Rozes im Verborgenen.
Kurz nach 14 Uhr war es, als Berni und ich auf dem Monte Pelmo auf 3.168 Metern standen, genießen konnten wir es jedoch nicht. Machten schnell unsere Fotos und zügig ging es wieder runter, da wir jederzeit mit Regen rechnen mussten.
Abstieg
Der Abstieg erwies sich als – wie erwartet – unspektakulär. Besonders der Nervenkitzel des Ball Bandes nahm bereits beim zweiten Mal gehörig ab und so kamen wir sehr zügig voran. Am Ende des Bandes, welches nach dem englischem Erstbesteiger James Ball benannt war, begann es dann kurzzeitig zu Regnen, was aber mit ein bisschen mehr Aufmerksamkeit beim Gehen kein Problem darstellte.
Kamen um halb Sechs wieder bei der Rifugio Venezia an, wo wir uns bei Diana noch verabschiedeten und sie uns herzlich zu ihr nach Venetien einlud.
„Gib ihm“ mit dem Mountainbike
Die Tour war aber noch nicht zu Ende, denn jetzt stand mit der Abfahrt mit den Mountainbikes die Belohnung für uns an. Forderte noch ein letztes Mal einiges an (nicht mehr vorhandener) Kraft und Geschicklichkeit ab, was sich zeigte, als ich bei Schneckentempo in einer steilen Passage auf fünf Meter gefühlte 20 Mal unfreiwillig vom Rad abstieg. War aber ein immenser Spass und Adrenalin-Kick und die bis dato mit 20min Fahrtzeit längste Mountainbike-Abfahrt.
Gegen 18 Uhr Abend bei den Autos angekommen waren wir fix und fertig und freuten uns auf unseren zurück erlangten Grad an Zivilisation, doch jener Schlug uns gleich mitten ins Gesicht.
Missgeschicke und Gastfreundschaft
Die Bergtour wurde ja ohne große Probleme gut gemeistert, doch der Alltag schien uns leider keine Geschenke zu machen. Wir ließen die Kühltasche den ganzen Tag über an der Batterie hängen, in der dummen Annahme, dass die Batterie dies schon meistern würde. Diese hielt sich aber nicht an unsere Mutmaßungen und so rollten wir auch schon gemütlich bis runter ins Tal, da sich die Batterie nicht einmal vom Rollen wieder aufladen wollte.
Doch die Dummheit von uns wurde von der Hilfsbereitschaft der Südtiroler wieder wett gemacht, und so schafften wir es nach ein paar Stunden wieder fahrtauglich zu sein. Dies dauerte so lange, da wir uns mit zwei defekten Starter-Kabeln ärgern mussten. Die Helfer schien das aber eher Spass zu machen, Manchmal fürchteten wir schon, dass sich ein Streit zwischen ihnen um die Gunst des Helfens am Auto entwickelt.
Hier noch eine kleine Anekdote von einer alten Südtirolerin, Mutter eines Helfers, die fragte: “ Habt ihr jetzt Angst wieder nach Südtirol zu kommen, weil da die Autobatterie ausgeht?“ Das nach einer Stunde Hilfe ohne nur annähernd das Gefühl zu bekommen, dass dies irgendwem unangenehm war.
Das war aber nicht der einzige Grund, warum sich die Fahrt zur Unterkunft so lange hinaus verzögerte. Der Wasserbehälter war kaputt und setzte in gemütlicher Manier schön langsam, während wir am Berg herum turnten, die Beifahrerseite unter Wasser. Mussten somit noch das Auto säubern, die entladene Batterie aufladen (es ging keine Klima, kein Fensterheber oder Scheibenwischer), eine Unterkunft finden und checkten um 22 Uhr Nachts in Bozen bei der vermutlich letzten offenen Pension ein, bevor wir unseren wohlverdienten Regenerations-Schlaf angehen konnten.
Auf’m Berg is de Wöd in Ordnung! – aber auch unten
Eine wunderschöne und zugleich herausfordernde Tour im Herzen der Dolomiten mit unerwartetem Ende, so lässt sich dieser Tag wohl am besten Beschreiben.
Ich stand auf meinem ersten Dreitausender, aber viel wichtiger waren die Eindrücke, die die Geologie und dieser persönliche Grenzgang, bei mir hinterließen. Bernhard, der in einer super Verfassung war, und ich pushten uns an unsere mentalen und körperlichen Grenzen und Verschoben diese an jenem Tag wieder ein Stückchen nach oben. Gefahren wurden abgeschätzt, mein erstes Risiko-Management in den Bergen sozusagen, und viel dazu gelernt.
An diesem Tag hat sich mein Zugang zum Alpinismus, zu den Bergen und zur Welt an sich stark verändert und sich der Gedanke an weitere Abenteuer in unwirtlichem, zivilisations-feindlichem Gelände, sowie die Begeisterung für die Geologie, in meinen Kopf eingenistet.
Zwei Tage später wurde dann mit dem Monte Civetta gleich der nächste Klassiker erklommen.
Grüße, Stefan
Details zur Tour:
- Route: Parkplatz von Borca di Cadore rauf (1.100 m) – Rifugio Venezia (1.950 m) – Monte Pelmo (3.168 m)- Rifugio Venezia (1.950 m) – Parkplatz (1.100 m)
- Höhenmeter: ~2000 m
- Dauer: 11 Stunden
- Charakter: teilweise ausgesetzte und ungesicherte Passagen (Ball Band) im hochalpinen Gelände, sehr anstrengende als Tagestour
- Besonderheiten: rohe Geologie, Ball Band, Weitsicht im Herzen der ampezzaner Dolomiten (Antelao, Civetta, Marmolata, Tofane di Rozes)
- Anfahrt: Über Cortina d´Ampezzo und San Vito di Cadore nach Borca di Cadore. Im Ort ca. 40m vor der Agip-Tankstelle zweigt Rechts die Str. nach Villanova ab. Folgen der Straße durch den kleinen Weiler und folgen der Beschilderung Rifugio Venezia. Ca. 400m hinter dem Ortsschild zweigt sich der Weg auf bei 1.140 m Höhe. Davor links ein kleiner Parkplatz.
- Karte: Tabacco 03- Cortina e Dolomiti, Kompass 634 – Pieve di Cadore
GPS Track
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Monte Pelmo (3.168m) mit Berni |
Eine Antwort auf „Monte Pelmo (3.168m) mit Bernhard – [1. Aug. 08]“
[…] Monte Civetta mit ihren 3.220m Höhe war nach einem Tag Pause nach der harten Monte Pelmo Tour der zweite Berg in den Ampezzaner Dolomiten, den Berni und ich besteigen wollten. Wetter blieb […]